Objektive der 135mm-Klasse mit großer Offenblende werden zumeist im Bereich People & Portrait eingesetzt. In der Naturfotografie sind diese Objektive eher eine Randerscheinung, vor allem wenn sie über keinen Autofokus verfügen. Ob das neue Walimex Pro 135mm f/2,0 auch in der Naturfotografie sinnvoll einsetzbar ist, konnte ich in den letzten Monaten ausführlich testen.
Aufbau und Eigenschaften
Im Lieferumfang des aktuell für ca. 650€ erhältlichen Objektivs sind Front- und Rückdeckel sowie die Gegenlichtblende und ein (sehr dünner) Schutzbeutel. Seine 11 Linsen welche auf 7 Gruppen verteilt sind erzeugen einen Bildwinkel von 18,8° (12,4° am APS-C Sensor). Aufgrund der Innenfokussierung ändert sich die Lage und die Ausrichtung des 77mm Filtergewindes beim scharfstellen nicht. Wie bei allen Walimex-Objektiven der neuesten Generation üblich, verfügt auch dieses Objektiv über einen Eingebauten Chip, welcher die Steuerung der Blende durch die Kamera ermöglicht. Auch werden alle Parameter korrekt in den Exif-Daten eingetragen. Aufgrund des Blendenringes kann man mit diesem Objektiv auch die einfachsten Zwischenringe verwenden, Automatikzwischenringe sind zur Blendensteuerung nicht notwendig.
Eine äußerst robste Verarbeitung, ein sauber laufender Fokus-Ring und eine sehr gut ablesbare Schärf-Skala zeichnen das Walimex 135mm f/2.0 aus
Die Haptik des Walimex Pro 135mm f/2,0 kann insgesamt als vorbildlich bezeichnet werden. Alle Bauteile fühlen sich sehr wertig verarbeitet an, der Fokusring läuft satt und ohne ruckeln und das doch recht stattliche Gewicht von ca. 840g lässt auf einen sehr hohen Metallanteil schließen. Die Baulänge von 120-148mm (je nach Anschluss) führen bei einer Vollformatkamera wie der hier verwendeten Nikon D800E zu einem wunderbar ausgewogenen Handling.
Abbildungsleistung
Auch wenn Objektive dieses Herstellers meist als recht „billige“ Alternative zu den namenhaften Firmen wie Nikon, Canon oder auch Carl Zeiss angeboten werden, so ist an der Schärfe der Walimex Objektive in den meisten Fällen rein gar nichts auszusetzen. Dies trifft auch auf das 135mm Objektiv zu. Das Objektiv ist ohne Wenn und Aber Offenblend-tauglich. Das Abblenden auf Blende 2,8 bringt bei einer 100% Ansicht am Monitor zwar nochmals einen Tick mehr Schärfe, dies dürfte in der alltäglichen Praxis aber keinerlei Rolle spielen. Zwischen Blende 2,8 und Blende 4,0 konnte ich selbst bei einer 100% Ansicht keinen signifikanten Unterschied mehr erkennen.
Selbst bei Offenblende liefert das Walimex schon eine hervorragende Schärfe. Der Fokuspunkt muss bei einer derart kleinen Ausdehnung der Schärfeebene allerdings sehr präzise gelegt werden, das Arbeiten mit einem Stativ ist deshalb fast zwingend erforderlich.
Nikon D800E | f/2,0 | ISO140 | 1/1000sek
1:1 Ausschnitt aus dem vorherigen Bild
Ein Grund, sich für ein 135mm Objektiv mit Blende 2,0 zu entscheiden, ist sicherlich das Bokeh. Und genau hier kann das Walimex seine Stärken voll ausspielen. Obwohl die neun Blendenlamellen allem Anschein nach nicht abgerundet sind, wir der Hintergrund wunderbar weich gezeichnet, Unschärfekreise oder auch der Sonnenball werden bei Offenblende wirklich kreisrund abgebildet. Positiv zu erwähnen ist hierbei, dass auch dies auch für die Randbereiche des Bildes zutrifft, eine Linsenförmige Verzerrung der Unschärfekreise tritt so gut wie gar nicht auf.
Auch in den Bildecken werden Unschärfekreise und auch der Sonnenball wirklich kreisrund abgebildet
Nikon D800E | f/2,0 | ISO100 | 1/320sek
Erstaunlicherweise ist selbst die Vignette nur minimal ausgeprägt und überhaupt nicht störend. Dies überrascht mich für ein solches Objektiv schon sehr. Auch Chromatische Aberrationen sind nur unter extremsten Bedingungen sichtbar und sollten in der Praxis kaum eine Rolle spielen. Die Tatsache, dass aktuell bei den gängigen Bildbearbeitungsprogrammen noch kein Profil zum automatisierten Entfernen von Vignette und Chromatischen Aberrationen vorhanden ist, stört mich auf jeden Fall überhaupt nicht und auch ein manuelles Nachbearbeiten dieser Abbildungsfehler hielt ich bis jetzt ebenfalls nicht für notwendig.
Praxiseinsatz
Klar ist eine manuelle Festbrennweite in diesem Brennweitenbereich schon etwas Spezielles. Vor allem wenn man das durchaus weitverbreitete 2,8/70-200mm Objektiv in seinem Rucksack hat, überlegt man sich zweimal, ob eine solche Festbrennweite eine sinnvolle Investition ist. Um es gleich vorwegzunehmen: In meinen Augen ist sie es sehr wohl! Auch wenn der Unterschied von „nur“ einer Blende auf dem Papier doch eher gering aussieht, so ist dies in der Praxis mehr als deutlich sichtbar. Vor allem bei recht hektischen Hintergründen kann dieses Objektiv das Motiv weitaus besser vor dem Hintergrund separieren, als dies mit Blende 2,8 möglich ist. Auch die bei Blende 2,0 wirklich kreisrunden Unschärfekreise wirken äußerst ansprechend. Mit einer Naheinstellgrenze von 0,8m ergibt sich im Nahbereich eine minimale Bildfeldbreite von 16,8cm. Dies macht das Walimex sicherlich zu keinem ausgemachten Makro-Objektiv, dennoch ist dieses Objektiv für die Pflanzenfotografie in meinen Augen hervorragend geeignet. Selbst für kleine Pflanzen, wie Leberblümchen oder kleinere Ragwurze, genügt diese Naheinstellgrenze und der daraus resultierende Abbildungsmaßstab von ca. 1:4,7 vollkommen.
Vergleicht man das Bokeh über die verschiedenen Blenden, so fällt vor allem zwischen Blende 2,0 und 2,8 ein sehr deutlicher Unterschied sowohl im Hinter- wie auch im Vordergrund auf.
Nikon D800E | f/2,0 - f/2,8 - f/4 (v.l.n.r)| ISO100
Selbst wenn die Belichtungszeiten aufgrund der großen Offenblende verlockend kurz sind, sollte man sich beim Einsatz dieses Objektivs stets zur Verwendung eines Statives zwingen. Die Ausdehnung der Schärfeebene ist einfach derart gering, dass schon die kleinste Bewegung zu vollkommen unbrauchbaren Bildern führen kann.
Auch im direkten Gegenlicht schlägt sich das Walimex überraschend gut. Selbst wenn die Sonne unmittelbar auf die Frontlinse trifft, ist der Kontrasteinbruch nur gering ausgeprägt. Einen klar definierten Lensflare zu erzeugen ist mit diesem Objektiv schon eine mittlere Herausforderung und auch strahlend helle Bildbereiche werden sehr sauber abgebildet.
Obwohl die tiefstehende Sonne hier nur ganz knapp außerhalb des Bildes ist, erzeugt das 135er keinerlei Lensflares.
Nikon D800E | f/2,0 | ISO160 | 1/100sek
1:1 Ausschnitt aus dem vorherigen Bild
Nikon D800E | f/2,0 | ISO160 | 1/100sek
Nach nunmehr drei Monaten im Praxiseinsatz bin ich vom Butterweichen Bokeh des Walimex regelrecht süchtig geworden. Dies ist auch daran zu erkennen, dass so gut wie alle damit entstandenen Aufnahmen mit Offenblende gemacht wurden. Seitdem das 135er in meinem Fotorucksack ist, wurden andere Objektive (wie z.B. das Sigma 2,8/150mm OS oder das Nikon 2,8/105mm VR) beinahe arbeitslos – zumindest wenn es um unbewegliche Motive ging.
Vor allem bei schwierigen Hintergründen spielt das Walimex 135mm f/2.0 seine Stärken voll aus. Diese Bild wäre auch mit Blende 2.8 schon viel zu unruhig geworden.
Nikon D800E | f/2.0 | ISO100 | 1/30sek
Fazit
Das Walimex Pro 135mm f/2 leistet sich in meinen Augen keinerlei wirkliche Schwäche. Für statische Motive ist dieses Objektiv mit seiner hervorragenden Abbildungsleistung sowie seines wunderbaren Bokeh wie gemacht. Man muss sich allerdings zu sehr sauberem Arbeiten zwingen und sich auch genügend Zeit zum Fotografieren lassen. Dann allerdings belohnt einen das Walimex Pro 135mm f/2,0 mit wirklich ganz besonderen Bildergebnissen. In Sachen Pflanzenfotografie ist dies für mich persönlich mein neues „Standart-Objektiv“ geworden.
Update Mai 2018:
Das Walimex 135mm f/2,0 ist immer noch eines meiner liebsten Pflanzen-Objektive. Hier eine kleine Sammlung aktueller Aufnahmen mit diesem Objektiv:
Text und Bilder:
Stefan Imig
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